Am Freitag, den 12.04.2013, war es soweit. Gegen 15:00 Uhr fuhren Holger, Immo, Wolfgang und ich, Hans-Werner, von Erfurt in Richtung Hamburg um an einem "Schwerwettertraining" teilzunehmen.
Unterwegs informierte uns unser Skipper Mark davon, dass wir nicht auf die Segelyacht "Magic" einchecken, sondern uns an der Yacht "Juwel" treffen. Bei der Segelyacht handelt es sich um eine Bavaria 46. Wir erreichten den Hamburg City-Hafen gegen 19:15 Uhr und trafen dort auf vier weitere Teilnehmer: Bernd, Stefan, Thomas und Harry sowie unserem Skipper Mark.
Nach einer kurzen Besprechung über den geplanten Ablauf des kommenden Samstag wurden die Kojen bezogen und anschließend ging es in die Hamburger City (sogenanntes Portugiesen Viertel) zum Abendessen.
Am Samstag, 13.04., war nach dem Aufstehen noch Zeit, einen kurzen Ausflug zu den Landungsbrücken zu unternehmen, weil das Frühstück erst gegen 10:00 Uhr eingenommen werden sollte. Um 10:00 Uhr trafen wir uns nach einer telefonischen Abstimmung mit dem Skipper um die Verpflegung für die nächsten Tage an Bord zu schaffen. Nach dem folgenden gemeinsamen Frühstück machten wir uns etwas ausführlicher bekannt. Jeder stellte sich vor und erzählte von seinen bisherigen Segelerfahrungen. Danach wurde vom Skipper der weitere Ablauf des Tages besprochen und die Einteilung der beiden Wachen abgestimmt, da beabsichtigt war, die Strecke Hamburg - Helgoland mit einer Nachfahrt zurückzulegen. Stefan als Co-Skipper sollte die erste Wache im Vier-Stunden-Törn führen. Zu dieser Wache gehörten dann noch Thomas, Harry und Wolfgang. Die zweite Wache bestand dann aus dem Skipper Mark, Immo, Holger, Bernd und meiner Person.
Dann begann bereits das „Training“. Für die nächste Stunde waren in den beiden Gruppen verschiedene Aufgaben zu erledigen. Max machte mit der zweiten Wache die Schiffs- und Sicherheitseinweisung während die erste Wache die Aufgabe hatte, die „Passage Planning“ zu erarbeiten: Mark erklärte uns die Bedeutung einer vorherigen Törnplanung: Damit ist man im Falle einer plötzlichen Wetterver-schlechterung gut vorbereitet, um die richtigen Entscheidungen für ein sicheres Segeln zu treffen: Wo sind Nothäfen, in die man mit dem Tiefgang der Yacht auch reinkommt? Wann müssen wir ablegen, wie schnell müssen wir sein, um die Hochwasserzeitpunkte an den verschiedenen Wegpunkten so zu erreichen, dass wir die Strömungsverhältnisse optimal für unser Vorankommen nutzen? Das heißt also, eine Gezeitenberechnung durchführen und auch die Großwetterlage beachten. Nach ca. einer Stunde fand dann der Wechsel statt: Max machte mit der ersten Wache die Einweisung und wir vier, Bernd, Immo, Holger und ich führten ebenfalls die Planung aus.
Übereinstimmend und unabhängig voneinander kamen wir beiden Gruppen auf eine Abfahrtszeit zwischen am Samstag zwischen 18:00 und 19:00 Uhr.
In Vorbereitung zum Auslaufen wurde gegen 16:00 Uhr von vorher bestimmten Crewmitgliedern die Einweisung in die Signalmittel, Verwendung der Sicherheitswesten und Lifeleinen, Verhalten im Brandfalle und in den Motor durchgeführt.
Nach dem ausführlichen Briefing durch den Co-Skipper Stefan erfolgte dann um 18:30 Uhr das Kommando „Leinen-Los“ und unter Motor legte Mark ab. Hierbei hat Mark dann noch kundgetan: Lediglich das erste Ablegemanöver und das letzte Anlegemanöver erfolgt durch ihn selbst.
Es dauerte nicht lang und uns holte der rege Schiffsverkehr auf der Elbe ein. Unmittelbar hinter uns fuhr auch ein Kreuzfahrtschiff der AIDA-Baureihe Richtung Nordsee. Eine viertel Stunde später erreichte diese auf unserer Höhe ein Schwesterschiff, welches noch am Kai lag. Wir erwarteten deshalb auch das dann einsetzende „Hornkonzert“ der beiden AIDA-Schiffe.
Gegen 20:00 Uhr, in Höhe Wedel, begann dann wie abgestimmt der erste Wachgang. Co-Skipper Stefan übernahm das Kommando für die weitere Elbpassage für die nächsten vier Stunden.
Schneller als erwartet, bestätigte sich, dass die genaue Passageplanung seine Zweck erfüllen sollte: Zwischen Glückstadt und Brunsbüttel ereilte uns ein Motorschaden. Der Motor überhitzte und es gab Alarm. Leider war es zu diesem Zeitpunkt praktisch windstill und so trieben wir ohne Ruderwirkung in der Elbe. Hektisch wurde der Impeller ausgebaut und viele weitere Dinge überprüft. Allerdings konnten wir keine Fehlerursache finden. Dies führte dazu, dass wir den berechneten Zeitplan, um mit dem ablaufenden Hochwasser rechtzeitig Cuxhaven zu erreichen, nicht einhalten konnten. So entschlossen wir uns, den Motor wieder zu starten, den Ausweichhafen Brunsbüttel an zu laufen und dort zu übernachten. Nach scheinbar „unendlichen“ Manövrieren vor der Schleuse konnten wir in diese dann gegen 01:30 Uhr einlaufen und machten dann eine halbe Stunde später im Hafen fest.
Nach dem obligatorischen „Anlege-Bier“ und einer kurzen Abstimmung für den weiteren Ablauf verschwanden wir in den Kojen.
Gegen 07:00 Uhr legten wir ab, um 07:20 Uhr die Schleusung und damit eine günstige Stromsituation auf der Elbe für die nächste Passage Brunsbüttel-Cuxhaven zu nutzen. Wettermäßig war wenig Wind aus Südost vorhanden, so dass wir erstmal wieder eine Strecke „Motoren“ mussten.
Nachdem wir zwar mal zwischendurch die Segel setzen, aber wegen des geringen Windes aber nach ca. einer viertel Stunde wieder einholten, konnten wir gegen 11:00 Uhr endlich die Segel setzen. Es war genügend Wind aus Südost vorhanden.
Es ging nun mit direktem Kurs Richtung Helgoland. Zwischendurch war „Segeltheorie“ angesagt. Unser Skipper Mark gab Tipps zu Segeltrimmung, Kursen und Manövern. Während der Überfahrt konnte jeder von uns das übliche gelernte Rettungsmanöver „MoB“ absolvieren. Unser Skipper Mark war dabei „nur“ stiller Zuschauer. Der Ablauf war so organisiert, dass verhältnismäßig „unerwartet“ für den Rudergänger die Boje vom Skipper hinten über Bord geworfen wurde.
Wie in der Theorie gelernt und in der Prüfungspraxis verlangt, wurde das Rettungsmanöver mittels der Q-Wende ausgeführt. Fast alle brauchen zwei oder mehr Anläufe zur Aufnahme der Boje.
Nachdem alle das Manöver absolvierten, erklärt uns Mark, dass eine Q-Wende als Rettungsmanöver nur gut anzuwenden sei, wenn man eine eingespielte und vielköpfige Crew hat und die äußeren Bedingungen als optimal eingeschätzt werden können. Also im Prinzip bei unseren Chartertörns nie. Denn wir sind ja meist mit ungeübter Crew unterwegs und in der Regel fallen Personen meist bei ungünstigen Bedingungen über Bord.
Außerdem ist bei der Q-Wende bei schwerem Wetter die maximale Entfernung Boot-Person mit fünf oder mehr Bootslängen einfach zu riskant.
Dann stellte er fest, vergesst am besten alles, was in den Schulungsbüchern zu dem MoB-Manöver steht: Ausguck besetzen, Rettungsmittel ausbringen (!), MoB-Taste am Funkgerät betätigen, usw. usw. Überlegt mal, was passiert in der Praxis, wenn man die Rettungsmittel ausbringen soll. Bis das ein Crewmitglied den Rettungsring klar hat, vergeht eine gewisse Zeit und man entfernt sich von der Person. Wer ist in der Lage, dann den Rettungsring in die Nähe der Person zu werfen?
Ich werde euch ein MoB-Manöver zeigen, wie es in der britischen Ausbildung verlangt wird und überflüssige Handlungen gar nicht erst berücksichtigt. Dann stellt er sich ans Ruder und führte das Manöver aus. Uns war sofort klar, dass dieses Manöver eine sicherere Bergung darstellt: Man entfernt sich nicht sehr weit von der über Bord gegangenen Person und kann gezielter den Rettungsring platzieren.
Diese Manöver sollten wir dann am nächsten Tag selbst üben. Damit war das Manövertraining für den Tag beendet und wir nahmen Kurs Helgoland.
Da ich am Ruder stand konnte ich dann im Hafen das Anlegemanöver ausführen und wir machten gegen 17:00 Uhr fest. Nach dem „Anlegebier“ verabredeten wir, eine „Helgolandrunde“ zu absolvieren und dann eigentlich an Bord das Abendessen einzunehmen.
Obwohl die meisten Geschäfte auf Helgoland um 17:00 Uhr schließen, konnten doch einige noch zollfreie Zigaretten und „Hochprozentiges“ ergattern. Nach dem etwa einstündigen Rundgang, vorbei am Vogelfelsen („Lummerfelsen“) und dem „Langen Heinrich“ gelangten wir dann an eine Hafenkneipe im „Unterland“ und wollten dort den bekannten „Helgoländer Eierpunsch“ probieren. Wegen der etwas fortgeschrittenen Zeit (20:15 Uhr) entschlossen wir uns, das Abendessen in einer Kneipe auf dem „Oberland“ einzunehmen. Leider hat unsere Wahlkneipe bereits mangels Besuch bereits geschlossen, sodass wir uns in einem anderen Restaurant wiederfanden. Dort wurde es dann aber auch sehr gemütlich.
Am Morgen scheint es ein guter Tag zu werden. Erstmals scheint die Sonne. Es werden Temperaturen um 8 Grad Celsius erwartet. Der Wind kommt weiter aus südlichen Richtungen mit 3-4. Nach dem wiederum ausführlichen Frühstück besprechen wir den Ablauf des weiteren Tages.
Wir schlagen dem Skipper vor, bereits heute in Richtung Cuxhaven zu segeln, zwischendurch die Manöver zu fahren und somit den nächsten Tag für die letzte Etappe Cuxhaven-Hamburg Cityhafen zur Verfügung zu haben.
Anschließend gab uns Mark einen ausführlichen theoretischen Ablauf zu dem britischen MoB-Manöver. Das Manöver besteht im Grunde genommen aus zwei, oder bei Bedarf, mehreren schnellen Wenden hintereinander: Bei der ersten Wende lässt man die Fock back stehen, d.h., die Schoten bleiben belegt. Dann passiert man die zu rettende Person noch mit Fahrt im Schiff, ist jedoch langsam und nahe genug, um gezielt die Rettungsmittel (in der Regel den Rettungsring) ausbringen zu können. Der Motor wird gestartet, die Großschott dicht geholt. In der direkt sich anschließen-den zweiten Wende wird das Vorsegel eingeholt. Nun ist man mit Fahrt 0 genau in Luv zu der zu rettenden Person. Mit Halbwind, den Wind im rechten Winkel auf das zuvor dicht geholte Groß, driftet man in aller Ruhe zur Rettung. Mit Gas vor oder zurück wird "gezielt" die Position parallel zur Boje gehalten. Dabei entfernt sich das Boot maximal zwei Bootslängen von der Boje.
Gegen 10:00 Uhr legen wir dann ab und verlassen Helgoland in Richtung Cuxhaven. Während der Überfahrt hat jeder die Gelegenheit, das theoretische nunmehr selbst in der Praxis anzuwenden. Uns wird sofort klar, dass dieses Manöver mehrere Vorteile gegenüber dem "deutschen" MoB-Manöver hat. Allen gelingt bereits beim ersten Anlauf, Boje und (!)Rettungsmittel aus dem Wasser zu ziehen. Maximale Entfernung: zwei Bootslängen. Am besten hat nach Messung vom Skipper Stefan abgeschnitten. Bereits nach 1 Minute und 37 Sekunden waren die Boje und der Rettungsring wieder an Bord. Aber auch wir anderen waren insgesamt gegenüber dem Manöver am Vortag zeitlich schneller. Wir erkannten, dass das Betätigen der MoB-Taste bei diesem Manöver in der Regel überflüssig ist. Außerdem verliert der Rudergänger im Prinzip selbst nicht den Sichtkontakt zur Boje.
Am Abend erreichen wir Cuxhaven und machen im Hafen fest. Nach dem Anlegebier und dem Duschen gehen wir gemeinsam in ein Restaurant zum Abendessen und schließen den Tag ab.
Gegen 08:00 Uhr wieder wecken. Es ist Nebel aufgezogen. Nach dem Frühstück wird wiederum der Ablauf besprochen: Zeitpunkt des Ablegens, um entsprechend der Gezeiten bis zum Abend unser Zielhafen zu erreichen. Erschwerend ist dabei, dass Holger wegen eines anderen Termins am 17. in Nürnberg unbedingt den ICE um 18:54 Uhr ab Hamburg erreichen wollte.
Wir legten dann gegen 10:00 Uhr ab und mussten gegen den ablaufenden Strom im wahrsten Sinn des Wortes ankämpfen: Laut Log machten wir 6,5 kn Fahrt durchs Wasser aber „nur“ 1,5 kn Fahrt über Grund. Der Nebel hat sich zwischenzeitlich aufgelöst. Es war zwar noch etwas diesig, aber man hatte genug Sicht. Nach dreieinhalb Tagen Schwerwettertraining laufen wir abends um 18:20 Uhr wieder in den Hamburger Cityport ein. Gerade noch rechtzeitig, damit Holger noch seinen Zug erreichen konnte.
Wir haben bei diesem Törn, da sind wir uns alle acht Teilnehmer einig, viel gelernt, über das Segeln bei schwerem Wetter, über das Segeln bei Nacht, über das Segeln im viel befahrenen Gezeitenrevier. Und wenn wir auch bei den Manövern vielleicht nicht noch nicht ganz so schnell waren wie das unser Skipper erwartet, wissen wir, dass nur das weitere Training das Beherrschen der Manöver gewährleistet und man damit eine höhere Sicherheit bei Chartertörns erlangt.
Nach meiner Einschätzung waren wir für diese dreieinhalb Tage ein gutes Team.
Zum Abschluss soll auch nochmals dem Skipper Mark gedankt werden. Nicht nur das Training selbst war für mich ein Erfolg, sondern auch die gesamte Verpflegung. Die Essen an Bord waren sehr gut. Hier gilt unser Dank auch der Frau des Skippers, die einige Mahlzeiten bereits vorbereitet hatte.
Ich empfehle dieses Training jeder Skipperin oder Skipper, die sich theoretisch und durch praktische Anwendung seglerisch weiter entwickeln wollen. Mir selbst hat besonders gut gefallen: Törnvorbereitung im Gezeitengewässer (kam bisher in der Praxis nicht vor), das Segeln bei Nacht (Lichterkennung anwenden) und das alternative Rettungsmanöver bei Wind und Welle. Auch die Törnvorbereitung (Planung) wurde von mir bisher auch angewendet, war aber insgesamt nicht so ausführlich im Mittelmeer notwendig.
Hans-Werner